Martin Drasch, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Schuler Group GmbH, glaubt trotz Strukturkrise in der Automobil- und Zulieferindustrie weiter an die Stärke des Maschinenbaus
Seit etwas mehr als 100 Tagen bin ich nun Vorsitzender der Geschäftsführung für den deutschen Maschinen- und Anlagenbauer Schuler – Zeit also für eine erste Zwischenbilanz und einen vorsichtigen Ausblick in die Zukunft. Schuler hat mir den Start leicht gemacht - da mich weltweit unglaublich fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt haben und das bis heute tun. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren allerdings schwierig, als ich meine neue Aufgabe angetreten habe, und sie sind es immer noch. Doch es gibt Grund zum Optimismus.
Die Lage ist bekannt: Die rückläufigen Verkaufszahlen im Automotive-Sektor führen dazu, dass die Automobilhersteller ihre Fabriken nicht auslasten können und sich daher ihrerseits ebenfalls mit Investitionen zurückhalten – wie zum Beispiel mit dem Kauf von Pressenlinien. Die weltweit installierten Produktions-Kapazitäten erlauben die Herstellung von rund 130 Millionen Fahrzeugen, doch im vergangenen Jahr verließen gerade einmal 90 Millionen Stück die Werkshallen. In Europa sowie Nord- und Südamerika ist die Produktion noch immer nicht auf das Niveau vor der Corona-Pandemie zurückgekehrt, nur in Asien liegt sie mittlerweile darüber.
Elektro-Mobilität kommt ins Rollen
Allerdings ist die Zahl der gefertigten Elektro-Autos in den vergangenen Jahren in jeder einzelnen dieser Regionen stark gestiegen – und wird weiter steigen. Dass die E-Mobilität gescheitert sei, lässt sich nicht einmal für Deutschland behaupten: Zwar wurden hierzulande im vergangenen Jahr ein Viertel weniger E-Autos zugelassen als in den zwölf Monaten davor. Das liegt neben weiteren Unsicherheitsfaktoren, die bei den Kunden noch zu Zurückhaltung führen, mitunter auch daran, dass die staatliche Förderung Ende 2023 abrupt ausgelaufen war. Im lokalen wie globalen Maßstab können die „Stromer“ den Rückgang bei der Zahl der gefertigten Verbrenner aber nicht wettmachen, zumindest noch nicht.
Aus diesem Grund sieht sich vor allen Dingen die exportabhängige europäische aber auch die globale Automobil- und Zulieferindustrie derzeit mit einer ausgewachsenen Strukturkrise konfrontiert, die in der gesamten Wertschöpfungskette zu einem extremen Handlungsdruck führt. Viele Unternehmen in der Branche kämpfen um ihre Zukunft oder haben den Kampf schon verloren, und diese Entwicklung ist leider noch nicht abgeschlossen. Schuler muss darauf – wie andere Zulieferer auch – mit einem umfassenden Restrukturierungsprogramm reagieren. Die Maßnahmen sind schmerzhaft, aber notwendig, um unsere Kapazitäten und die Kostenstruktur der Marktsituation anzupassen und unser wirtschaftliches Überleben zu sichern.
Die Krise bietet Chancen
Was kann uns in einer solchen Situation Hoffnung geben? Eine ganze Menge. Die aktuelle Krise mag für viele ein bislang ungekanntes Ausmaß angenommen haben, doch in der retrospektiven Betrachtung gehört die Bewältigung von Krisen für die Automobil- und Zulieferindustrie und mit ihr der Maschinen- und Anlagenbau zum Repertoire. . Dazu reicht ein Blick wenige Jahre zurück: 2009 war die Pkw-Produktion im Zuge der Finanzkrise sogar auf rund 60 Millionen Einheiten abgesackt, seitdem kletterten die Zahlen bis 2020 fast kontinuierlich nach oben.
Während damals allerdings schon 2010 das Vorkrisenniveau wieder übertroffen war, ist die Bewältigung der aktuellen, strukturellen Krise tiefgreifender – und die Erholung wird deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen: 2025 wird ein entscheidendes Übergangsjahr. Wir müssen uns also darauf einstellen, dass der Markt weiter stark umkämpft sein wird und insgesamt eher stagniert. Daher wird Schuler sich auf die sich ergebenden Chancen fokussieren und auf die Wachstumsbereiche in unseren Märkten konzentrieren.
Service im Fokus
Für uns Zulieferer bedeutet das, die Unternehmen in Asien in den Fokus zu nehmen, die durchaus noch in neue Anlagen und Werke auf der ganzen Welt investieren. Dort, wo stattdessen Bestandsanlagen länger laufen, wird der Service genauso an Bedeutung gewinnen wie Lösungen zur Optimierung der Produktionsabläufe – einschließlich der zahlreichen digitalen Anwendungen, die mittlerweile auch die Kunden im Maschinenbau verstärkt in den Fokus nehmen.
Gleichzeitig gilt es, die Entwicklung von Innovationen und neuen Geschäftsfeldern nicht aus dem Blick zu verlieren. Seit der Übernahme des italienischen Maschinenbauers Sovema ist Schuler auch zu einem Ausrüster von Batteriefabriken geworden. Dem Markt für Anlagen zur Batteriezellproduktion, die wir als Pressenbauer nun auch im Programm haben, wird global ein enormes Wachstum prognostiziert. Damit haben wir die Basis geschaffen, neue Wachstumsmärkte zu erschließen.
Auch E-Autos brauchen Blechteile
Der Zugewinn von Marktanteilen bei Elektromobilität in den europäischen, asiatischen und nordamerikanischen Märkten ist bereits im vollen Gange und wird sich mannigfaltigen Prognosen zu Folge weiter fortsetzen. Die Herstellung von Karosserie- und Strukturteilen ist vom Antriebstyp unabhängig, weil ein E-Auto genauso Motorhaube, Türen und weitere Umformkomponenten benötigt. Aber auch mit Innovationen im Bereich der Rotor- und Stator-Produktion wie beispielsweise der Backlack-Technologie haben wir unser Portfolio angepasst und ausgebaut.
Bei diesem Verfahren werden die Elektrobleche, die später einen Antrieb bilden, in einer Backstation unter Druck und hoher Temperatur zu einem Stapel zusammengefügt. So entsteht eine vollflächige Verbindung, die Vibrationen und Geräusche im Motor verringert. Durch die dichtere Schichtung der Bleche können Kühlflüssigkeiten weder austreten noch eindringen. Die höhere Wärmeleitfähigkeit von Backlack im Vergleich zu Luft erweist sich außerdem als Vorteil für die Kühlung. Darüber hinaus sind die Bleche perfekt voneinander isoliert.
Mit Produktionsanlagen für Batteriezellen können wir zukünftig weiteres Umsatzvolumen generieren. In dieser glücklichen Lage befindet sich längst nicht jedes Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau, das ist mir wohl bewusst. Und es ist auch noch nicht ausgemacht, wer aus dieser tiefgreifenden Krise gestärkt hervorgehen wird. Doch die überstandenen Krisen haben uns als Schuler geprägt und sensibilisiert. Wir müssen uns ständig neu erfinden, Chancen erkennen und ergreifen, kundenorientiert, flexibel und innovativ sein, sowie kontinuierlich an unserer Effizienz arbeiten. Daher bin ich überzeugt, dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen und gut vorbereitet sind für die kommenden Herausforderungen.
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- Zukunft - Perspektive Kolumne
„Grund zum Optimismus“
Veröffentlicht am 18/02/25